Wollige Schafe &
Lustige Ziegen -
Tierwohl bei Kleinwiederkäuern
Freitag, 22. November 2024
Foto: S.Steinecker
Heute startet unsere Landpartie bereits um 12 Uhr in Siebenhirten - wir haben nämlich einen langen Weg vor uns und es wird schon früh finster.
Während wir unser Ziel, den Johannesbachhof in Würflach, dem Tor zur Buckligen Welt ansteuern, gibt uns Kornelia Zipper einen spannenden Einblick in die österreichische Landwirtschaft und erläutert den geplanten Programmablauf:
Die erste Station führt uns zu einer landwirtschaftlichen Quereinsteigerin , die im Nebenerwerb auf einer kleinen Pachtfläche wirtschaftet. Im Gegensatz dazu präsentiert sich der zweite Betrieb als großer Ziegenmilchhof, der seine Produkte bis hin zu REWE liefert.
Zwei Betriebe, die auf den ersten Blick sehr verschieden sind und doch eine Gemeinsamkeit haben: die Haltung von Kleinwiederkäuern.
Reinhard Gessl, Nutztierhaltungsexperte vom FiBL, erklärt uns die wesentlichen Unterschiede zwischen Schafen und Ziegen. Viele Menschen glauben, die Anwesenheit von Hörnern sei ein typisches Unterscheidungsmerkmal, doch dies ist nicht korrekt, da es rassenspezifisch variiert. Ein verlässlicheres Merkmal ist jedoch der Schwanz: Während er bei Schafen nach unten hängt, zeigt er bei Ziegen nach oben.
Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Tierarten auch im Verhalten und in ihren Bedürfnissen. Schafe gelten als stille und genügsame Tiere (auch stille Dulder genannt), die sich eher zurückziehen (Fluchttiere) und zufrieden mit energiearmen Futter sind. Sie verbringen den Großteil des Tages mit Grasen und Wiederkäuen und sind dadurch gut an kargere Bedingungen angepasst. Ziegen hingegen sind neugierig, quirlig und ausgesprochen intelligent. In kritischen Situationen neigen sie dazu, anzugreifen statt zu flüchten. Ihr wählerisches Fressverhalten zeigt sich in der gezielten Auswahl besonders hochwertiger Futtermittel (Konzentrationsselektierer).
Auch die Milch zeigt deutliche Unterschiede: Während Schafmilch oft gelbliche Töne aufweist, bleibt Ziegenmilch aufgrund einer Betacarotin-Sperre im Euter immer weiß.
Bei der Haltung wird ebenfalls auf die individuellen Bedürfnisse der Tiere eingegangen. Schafe sind genügsame Herdentiere, die weniger anspruchsvoll in der Unterbringung sind. Ziegen hingegen benötigen eine Umgebung, die ihrer Bewegungsfreude und ihrem Kletterbedürfnis gerecht wird.
Johannesbachhof , Würflach, Niederösterreich
Stefanie Huber begrüßt uns herzlich auf ihrem Hof, den sie 2021 vom Großvater ihres Lebensgefährten übernommen hat. Vor drei Jahren gründete sie den Betrieb und bewirtschaftet seither sechs Hektar Pachtfläche, die zur Hälfte aus Ackerland besteht. Auf ihrem Hof hält sie 28 Schafe, darunter hauptsächlich die Rasse der Walliser Schwarznasen, eine Hobbyrasse, die sich durch ihr besonders flauschiges Fell auszeichnet. Diese Rasse wird gerne für tiergestützte Interventionen eingesetzt, da die Tiere nicht nur weich und niedlich, sondern auch äußerst ruhig im Wesen sind.
Die Walliser Schwarznasenschafe stammen ursprünglich aus dem deutschen Teil des Schweizer Wallis und sind an die rauen Bedingungen des Gebirges bestens angepasst. Sie haben einen robusten und kompakten Körperbau, bewollte Beine und eine dichte Wolle, die sie vor Kälte schützt. Auffällig sind ihre schwarze Nase und die charakteristischen Hörner. Eine Besonderheit der Rasse ist ihre asaisonale Trächtigkeit, was bedeutet, dass die Tiere unabhängig von der Jahreszeit trächtig werden können.
Stefanie hat sich über die Jahre verschiedene landwirtschaftliche Standbeine aufgebaut. Neben der Fleischverarbeitung und dem Verkauf von kuschelweichen Fellen, verkauft sie Hörner für Perchtenkostüme, verarbeitet Streuobst zu Säften und Marmeladen und presst Leinöl. Ihr Hof bietet außerdem Campingmöglichkeiten an (über "Schau aufs Land").
Seit einem Jahr ist Stefanie offiziell als Züchterin tätig. Einmal jährlich findet die sogenannte Körung statt, bei der ihre Tiere von Experten bewertet und ins Zuchtbuch eingetragen werden. Stefanie ist zudem Mitglied im Tiergesundheitsdienst TGD, was weiters für die Qualität ihrer Tierhaltung spricht.
Die Pflege der Tiere ist arbeitsintensiv: Ihre Schafe werden zweimal im Jahr geschoren, da die Wolle sehr schnell wächst. Diese Rasse ist bei Schafscherern eher unbeliebt, da das viele Fell die Arbeit erschwert.
Die Lämmer am Johannesbachhof dürfen über drei Monate bei ihren Müttern bleiben und werden in dieser Zeit gesäugt.
Im Stall gibt Stefanie der Gruppe einen genaueren Einblick in die Schafhaltung. Sie zeigt Werkzeuge wie Zangen für die Ohrenmarken und die Ausrüstung für die Klauenpflege. Danach teilt sie die Teilnehmer:innen in zwei Gruppen auf, sodass alle die Möglichkeit haben, die flauschigen Tiere aus nächster Nähe zu erleben und ausgiebig zu streicheln und zu kuscheln.
Während des Stallbesuchs erreicht uns die Nachricht vom Ziegenhof Mandl, der aufgrund von Glatteis und Schlechtwetter die geplante Besichtigung absagen muss. Auch wenn dies schade ist, kann die Gruppe somit etwas länger bei Stefanie bleiben und die zusätzliche Zeit für Gespräche und Austausch zu nutzen.
Anschließend geht es in den Hofladen wo uns Stefanie Striezel mit selbstgemachter Marmeladen zum Verkosten und heiße Säfte zum Aufwärmen anbietet. Die Atmosphäre ist gemütlich und viele Teilnehmer:innen nutzen die Gelegenheit, tiefgekühltes Lammfleisch oder kuschelige Felle für zu Hause einzukaufen.
Aufgrund des Ausfalls des Betriebs Mandl kehren wir bereits verfrüht nach Siebenhirten zurück. Wir sind jedoch froh, das Schneechaos zu vermeiden und sicher unterwegs zu sein.
Aufgehoben ist nicht aufgeschoben - mit dem Gedanken an einen möglichen Besuch am Ziegenhof Mandl im Frühjahr – vielleicht zur Zeit der Ablammung der Ziegen – endet die Landpartie dennoch mit vielen neuen Eindrücken.
Johannesbachhof
Stefanie Huber
Am Johannesbach 43
2732 Würflach
https://bauernladen.at/produzenten/johannesbachhof-7835
Fotos: R.Geßl, S.Steinecker, ÖKL
Fotos: R.Geßl, S.Steinecker, ÖKL