Wienerwald-Safari
von Galloway, Angus & Bisons
Tierwohl in der Nutztierhaltung
Freitag, 11. Oktober 2024
Fotos: M. Fath-Graf, ÖKL
Heute begeben wir uns auf eine Safari in Richtung Wienerwald um Rinder und Ur-Rinder zu erleben. Wir treffen uns in Siebenhirten um gemeinsam mit dem Bus über Alland in die westliche Wienerwaldgegend zu fahren. Während der Busfahrt besprechen wir Zahlen und Fakten zur österreichischen Landwirtschaft und erhalten Informationen zu den Themen Rinder und Bisons.
Wienerwaldbeef, Gamesreith, Niederösterreich
Unser erstes Ziel ist der Bauernhof „Wienerwaldbeef“, der von der Familie Hickelsberger geführt wird. Manuela, Michael und Johannes Hickelsberger begrüßen uns bei wunderbarem Herbstwetter. Die Aussicht ist atemberaubend und die Familie empfängt uns herzlich im Innenhof. Michael zeigt große Freude über unseren Besuch. „Es freut mich besonders, dass Konsument:in und Landwirt miteinander reden – so soll es sein. Es muss Hand in Hand gehen“, begrüßt er uns. Genau diese Philosophie prägt den Betrieb schon seit Jahren. Die Direktvermarktung ist ein zentrales Standbein des Hofes, da sie ohne Zwischenhandel ermöglicht, die hohen Tierwohlstandards einzuhalten, die entsprechend höhere Kosten verursachen.
Auf dem Hof haben die Tiere viel Platz, sie leben in Offenställen und erhalten ausschließlich Futter von den eigenen Flächen. Die Hickelsbergers bewirtschaften Ackerland, Grünland und Wald, und die Tiere haben permanenten Zugang zur Weide. Besonders stolz sind sie darauf, dass die Kälber acht Monate bei ihren Müttern bleiben dürfen. Dieses Konzept wird von den Kund:innen sehr geschätzt.
Wir besichtigen den Offenstall, in dem eine Kreuzung aus Galloway und Angus gehalten wird. Diese Rinder sind genetisch hornlos und, laut den Hickelsbergers, unkomplizierte Tiere, die auch auf kargen Böden gut zurechtkommen. Insgesamt gibt es auf dem Hof etwa 60 Rinder. Während wir am Stall mit herrlichem Weitblick stehen, diskutieren wir verschiedene Themen rund um das Tierwohl, wie etwa die Haltungsbedingungen von Tieren bei besonders günstigen Fleischpreisen. Auch die Herkunftsbezeichnungen in der Gastronomie werden thematisiert.
Im Sommer wurde ein neuer Stall für die Stiermast gebaut, da die Hickelsbergers den Tieren mehr Platz bieten wollen. Sie betonen erneut, dass die Nähe zu den Konsument:innen sie dazu motiviert, das Tierwohl zu priorisieren.Auch bei der Verarbeitung des „Beefs“ werden hohe Standards eingehalten. Es werden keine Zusatzstoffe verwendet, das Fleisch wird nicht gepökelt und so natürlich wie möglich verarbeitet. Geschlachtet wird in einem benachbarten Ort, doch die Verarbeitung erfolgt direkt am Hof. Neben frischem Fleisch, Wurstwaren und Eingekochtem wie Gulasch und Pastasauce bietet der Hof auch Eier von den „Wellness-Hendln“ an. Diese Hühner leben unter hervorragenden Bedingungen, geschützt von Bodyguard-Ziegen, die sie vor Raubvögeln bewachen, und genießen ihren mobilen Hühnerstall.
Nach dem informativen Rundgang dürfen wir noch die köstlichen Produkte der Hickelsbergers probieren und die feine Nachmittagsstimmung auf dem Hof genießen. Es wird fleißig eingekauft – von frischem Fleisch bis hin zu den hausgemachten Wurstwaren und Eingelegtem ist für jeden etwas dabei.
Anschließend machen wir uns auf den Weg zu unserem zweiten Halt des Tages, wo uns ein weiteres Highlight erwartet: Wir werden Bisons hautnah erleben.
Wienerwaldbeef
Familie Hickelsberger
Gamesreith 5
3051 St.Christophen
www.wienerwaldbeef.com
Kogelhof, Laaben, Niederösterreich
Am Kogelhof in Laaben werden wir herzlich von Heide und Gerhard Egger empfangen. Seit 2013 züchten sie, gemeinsam mit ihrem Sohn, auf ihrem Biohof amerikanische Bisons – nicht zu verwechseln mit den europäischen Wisenten.
Bisons zeichnen sich durch ihr beeindruckendes Aussehen aus: Sie haben einen massiven, muskulösen Körper, ein dichtes Fell, besonders am Kopf, und kräftige, nach innen gedrehte Hörner. Ein ausgewachsener Bisonbulle erreicht mit etwa sechs Jahren sein volles Gewicht von rund einer Tonne. Bisonkühe können bis ins hohe Alter Kälber gebären – sogar bis zum 30. Lebensjahr. Geschlechtsreif werden die Bisonkühe allerdings erst mit drei Jahren.
Eine faszinierende Eigenschaft der Bisons ist ihre enorme Ausdauer: Sie können bis zu vier Stunden am Stück mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h laufen. Auf dem Kogelhof wachsen die Jungbullen in natürlicher Haltung langsam heran – sie erreichen erst mit etwa zwei Jahren ein Gewicht von 450 bis 500 Kilogramm. Ein ausgewachsener Bulle kann locker bis zu 1000 Kilogramm erreichen.
Der Kogelhof ist ein schönes Beispiel für artgerechte Tierhaltung - die Tiere haben ganzjährigen Weidezugang und ausreichend Platz. Die Herde umfasst derzeit etwa 70 Tiere, darunter 20 Mutterkühe, die die Stammherde bilden sowie einen Zuchtbullen. Der gesamte Hof erstreckt sich über 90 Hektar, wovon 17 Hektar als Weidefläche dienen - die Eggers bauen auch Luzerne und Kleegras für die Fütterung an. Der speziell für die Bisons entworfene Stall ist der einzige seiner Art in Österreich. Er wurde so konzipiert, dass der Kontakt zwischen Mensch und Tier auf ein Minimum reduziert wird. Um die Bisons zu füttern, gibt es sogar einen speziellen Hebekran. Der Stall selbst ist ein Tiefmiststall, der ganzjährig mit frischem Stroh eingestreut wird und nur einmal im Jahr ausgemistet werden muss.
Das Zaunsystem für die Bisons ist ein Spanndrahtsystem aus Südamerika. Akazienstäbe werden dabei einen Meter tief in die Erde gesetzt, sodass selbst ein Traktor nicht durchbrechen könnte, erklärt Gerhard. Einmal im Monat wird ein Bison geschlachtet, wobei ein gezielter Kopfschuss erforderlich ist – eine spezielle gesetzliche Regelung für Bisons, da eine herkömmliche Schlachtung nicht funktionieren würde. Vor und nach der Schlachtung ist stets ein Tierarzt anwesend, um höchste Standards zu gewährleisten. Das Fleisch wird direkt am Hof verarbeitet, zu einer Vielzahl an Produkten wie Bison-Weißwurst oder Salami (in Kombination mit Schweinefleisch). Das Fleisch der Bisons ist besonders mager, kurzfaserig und kalorienarm.
Die Egger-Familie setzt auf eine vollständige Nachverfolgbarkeit ihrer Produkte fernab von Massenproduktion. Sie betonen, dass Bisons in ihrer Ursprünglichkeit als Wildtiere nichts mit domestizierten Rinderrassen gemeinsam haben. Das natürliche Herdenverhalten bleibt erhalten und spiegelt sich in der Haltung und auch in der Verarbeitung wider. Die Kund:innen sind begeistert vom Geschmack des Bisonfleisches und es wird ausschließlich ab Hof verkauft. Das Fleisch ist besonders reich an Aromen und benötigt kein zusätzliches Fett um gut zu schmecken. Außerdem enthält es hohe Mengen an Eisen, Zink, Kupfer und Selen. Alle Teile des Bisons werden genutzt und verarbeitet – sogar der Bisonschädel wird von der Schwiegertochter kunstvoll zu Leuchtkörpern gestaltet und verkauft.
Nach der spannenden Führung durch den Bisonstall lädt uns Heide Egger in den Verkaufs- und Verkostungsraum ein. Hier probieren wir Bison-Weißwurst, Salami und hausgemachtes Brot. Die gemütliche Atmosphäre und das köstliche Essen runden den Tag perfekt ab. Auch Kochrezepte und -anleitungen werden gerne weitergegeben. Zum Abschluss werfen wir noch einen kurzen Blick zu den Schweinen des Hofes bevor wir zufrieden die Heimreise nach Wien antreten.
Kogelhof
Klamm 1
3051 Brand-Laaben
Fotos: M. Fath-Graf, ÖKL
Fotos: M. Fath-Graf, ÖKL