Landwirtschaft anders:
von Bienen & Schwammerl & Kompost
Bei dieser Landpartie wurde die vielseitige Wiener Landwirtschaft erkundet!
Die Teilnehmer:innen freuten sich auf einen Einblick in die Welt des Honigs und der
Schwammerlproduktion. Vom Kagraner Platz aus ging es in den 22. Bezirk, wo der Imker
Gernot Gangl und die Pilzzüchter von „Hut und Stil“ zu Hause sind.
Unser erster Halt:
Die Gangl’s Bio-Honigschmiede
Am Gänseblümchenweg befindet sich die „Honigschmiede“ von Gernot und Margarete Gangl, die uns herzlich und ihrem Garten begrüßten. Als Quereinsteiger gründete Herr Gangl 2010 seine Imkerei, die er nun schon über 10 Jahre mit Freude und Erfolg im Vollerwerb und nach biologischen Richtlinien betreibt. Seine ca. 200 Bienenstöcke stehen verteilt an verschiedenen Stellen wie Windschutzgürteln, Gärten und anderen landwirtschaftlichen Randgebieten. Bienen sind nach Schwein und Rind das drittwichtigste landwirtschaftliche Nutztier, sie sind für die Bestäubung unentbehrlich und deshalb ein Wirtschaftsfaktor, dessen Bedeutung man niemals unterschätzen darf!
Der leidenschaftliche Imker erzählte uns über die Lebenszyklen und -weisen im Bienenvolk. Die Bienenkönigin ist die einzige Biene im Volk, die von männlichen Bienen, auch Drohnen genannt, begattet wird, und zwar beim „Hochzeitsflug“. Sobald die Königin fertig entwickelt, die Führung im Volk übernehmen möchte, fliegt sie hoch hinauf (auf bis zu 50 m Höhe) und lässt sich bei einem Sturzflug bzw. beim Fallen aus der Höhe von 10-15 Drohnen begatten, um für den Rest ihres Lebens fruchtbar zu sein und Eier legen zu können. Bis zu 2000 Eier legt die Königin am Tag. Aus den Eiern entwickeln sich Larven, aus den Larven Arbeitsbienen oder auch Arbeiterinnen. Die Arbeiterinnen sind sehr fleißig und übernehmen viele verschiedene Aufgaben. Je nach Alter sind sie mit Aufgaben wie putzen, Larven füttern, Waben bauen, Honig sammeln und als Wächterin tätig. Zur letzten Aufgabe im Leben einer Arbeiterin gehört das Honig sammeln. Diese Aufgabe ist am gefährlichsten, denn die Arbeiterinnen sind hier vielen Gefahren ausgesetzt.
In einigen Fällen kommt es dazu, dass zu einer bestehenden Königin eine neue Königin vom Bienenvolk herangezüchtet wird. Dafür gibt es vielerlei Gründe! Ein wichtiger Grund ist der Platzmangel. Hat der/die Imker:in vergessen, rechtzeitig den Stock auszubauen, dann herrscht im Bienenvolk Unbehagen und dichtes Gedränge. Hier werden Spätbienen ausgeschickt, um einen passenden Ort für eine Schwarmbildung zu finden. Wurde ein Platz gefunden, wie Spechthöhlen oder sogar Autofenster, folgt die alte Königin mit einem Schwarm Arbeiterbienen nach.
Weiters entscheiden sich die Arbeiterinnen für eine neue Königin, wenn die alte Königin geschwächt ist und immer weniger Eier legt. Denn schwache Königinnen produzieren schwache Völker, die Krankheitsherde darstellen. In diesem Fall werden Königinnen in sogenannten Weiselzellen herangezogen. Eine neue Königin muss sich immer vor dem Volk beweisen, wenn sie das schafft, dann werden alle anderen Königinnen in der Zelle getötet.
Leider müssen die Imker seit den 80ern mit einem hartnäckigen Parasiten der Honigbiene zurechtkommen: Die Varroa Milbe. Laut Gangl sind aufgrund der Milbe 99% der Bienen nicht überlebensfähig, so ist die jährliche Behandlung gegen die Varroa-Milbe ein Muss. Auch neue Schwärme, die geholt werden, werden behandelt, bevor sie in einen Stock ziehen dürfen.
Im Bienenschaukasten durften wir ein weiteres Phänomen beobachten: Den Schwänzeltanz der Honigbiene! Eine Arbeiterin, die eine ergiebige Futterquelle ausfindig gemacht hat, fliegt zurück in den Bienenstock und informiert ihre Kolleginnen in Form eines Tanzes. Bei diesem Tanz kann die Biene am Stand ihren Körper sehr rasch hin und herbewegen (Vibrationsbewegungen). Je reicher die Quelle, desto heftiger ist der Tanz. Zwischen den Vibrationen bewegt sich die Biene in Halbumdrehungen, dabei wird der Ort der Quelle mitgeteilt.
Beim Eingang des Schaukastens sind Arbeiterinnen stationiert, die am Hinterleib wild mit ihren Flügeln schlagen. Herr Gangl erklärte uns, dass die Bienen aus ihren Drüsen Duft versprühen können und mit den Flügeln den Duft ein wenig weitertragen können. Die ausgeflogenen Arbeitsbienen können dadurch in ihren Stock wiederfinden.
Nach der Theorie wurde es dann praktisch! Herr Gangl holte drei Waben aus einem Bienenstock und zeigte anschließend das Entdeckeln und Schleudern des Honigs. Aus der Schleuder rann köstlicher Honig - das war schon ein sehr schönes Erlebnis! Dann wurde Brot und Butter serviert und wir konnten alle den „eigenen“ Honig verkosten!
Fotos: ÖKL
Ebenfalls im 22. Bezirk liegt die nächste Station
Hut & Stiel
ein junges, innovatives Projekt in der „Kleinen Stadtfarm“. Begonnen hat alles 2018 zu zweit in einem Keller im 20. Bezirk in Wien, wo ausprobiert wurde, ob Schwammerl auf Kaffeesatz wachsen. Ja, das tun sie! Mittlerweile arbeiten sechs Personen in der Schwammerl-Produktion, die uns Manuel und sein Kollege zeigen.
Das Rezept ist eigentlich einfach:
Aus 10 kg Substrat bestehend aus Kaffeesatz + Myzel + ein bisschen Kalk + Stohpellets werden ca. 3,5 kg Austernpilze geerntet.
„Hut und Stiel“ produzieren 200 – 250 kg Austernpilze pro Woche. Seit 2021 sind sie sogar biozertifiziert. Herausfordernd ist v.a. die Logistik, um aus der Gastronomie, von Pensionistenheimen, von großen Büros wie Arbeiterkammer und Erste Bank u.ä. den Kaffeesatz abzuholen. Im Sommer besteht die Gefahr, dass der Kaffeesatz rasch verschimmelt, daher wird zu dieser Zeit mehr Stroh beigemischt. Ist einmal alles vor Ort, werden die Zutaten gemischt und in Säcke gefüllt. Diese lagern dann auf Regalen ca. 3 Wochen („Inkubationszeit“) lang bei 20 Grad Celsius. Dann beginnt in einem anderen Raum, in dem es 13-16 Grad Celsius und eine höhere Luftfeuchtigkeit hat, die „Fruchtung“, das bedeutet ganz einfach, dass hier die Schwammerln aus den Löchern der Säcke sprießen! Nach ca. einer Woche ist Erntezeit! Da der Platz in der Kleinen Stadtfarm schon eng geworden ist, wurde ein großer ehemaliger Weinkeller in Klosterneuburg dazu genommen, der für die Fruchtung die idealen Bedingungen liefert!
Manuel und seine Kollegen experimentieren auch mit anderen Pilzen, die anspruchsvoller als sind als Austernpilze wie Kräuterseitlinge und Pioppino. Das Hauptgeschäft liegt jedoch bei den Austernpilzen.
Die frischen Pilze werden dann so schnell wie möglich an die Gastronomie oder andere Abnehmer geliefert, was übrig bleibt, wird von einer kleinen Firma zu Sugo, Aufstrich, Pesto und Gulasch verarbeitet, in Gläser gefüllt und in diversen Geschäften verkauft.
Diese Produkte konnten wir dann gleich verkosten und sogar auch selbst Pilze ernten!
Fotos: ÖKL
Kleine Stadtfarm, 1220 Wien
Zum Schluss zeigte uns Manuel die Flächen der Kleinen Stadtfarm. Wir besichtigten den Auslauf der Pferde, Bienenstöcke und die Gemüsefelder – einem wichtigen Teil des 8 ha großen Geländes, dessen Verpächter die Stadt Wien ist, und auf dem 20 verschiedene Vereine mit ca. 300 Leuten zusammenarbeiten. In kleinen privaten Gärten haben wir philippinische, afghanische und andere verschiedene Gartensysteme mit unterschiedlichen Menschen gesehen, die intensiv, auf engem Raum, gemeinschaftlich oder einzeln Gemüse neben Beeren und Blumen produzieren.
Nach so vielen Eindrücken und Informationen konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der AfterWork Landpartie im „Café im Leo“ an Bio-Steckerlfischen laben, ein kühles Biobier passte auch sehr gut dazu!!
https://www.facebook.com/kleinestadtfarm
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Fotos: ÖKL