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G'schichtln aus dem WienerWald
24. Mai 2024

AfterWork_Gschichtln WienerWald (c) ÖKL_240524 (36).JPG

Heute erwartet uns eine AfterWork am Bauernhof-Landpartie im Wienerwald: Der Treffpunkt ist bei der U6 Siebenhirten und mit einer motivierten Gruppe machen wir uns bei wechselhaftem Wetter mit dem Gemeinschaftsbus auf den Weg in Richtung Kaumberg. Die Veranstaltung ist in Zusammenarbeit mit dem Biosphärenpark Wienerwald organisiert und führt uns zu zwei sehr unterschiedlichen Betrieben: dem biologisch wirtschaftenden Familienbetrieb Großreitherhof der Familie Schuh und der sozialen Landwirtschaft VinziRast am Land für ehemalige obdachlose Menschen in Mayerling bei Alland.
Wie gewohnt beginnen wir die Veranstaltung mit einem kurzen Faktencheck zur österreichischen Landwirtschaft und zu den heutigen Schwerpunkten. So gibt es zum Beispiel in Österreich ca. 110.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die Flächenförderungen beziehen. Der Bio-Anteil liegt bei etwa 25 % – was die Bioflächen der Bundesländer betrifft, führt Salzburg (50 %) vor Wien und dem Burgenland. Österreich ist im EU-Vergleich Spitzenreiter bezüglich Bio-Landbau - auch heute besuchen wir zwei biologisch wirtschaftende Betriebe. Der Großreitherhof ist ein Heumlichbetrieb, wobei Heumilchwirtschaft seit März 2024 durch die FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) als immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist. Heumilchwirtschaft erfüllt für die Anerkennung wichtige Kriterien wie die räumliche Abgrenzung, kulturelles Erbe, Schonung natürlicher Ressourcen und Einzigartigkeit. Nina Kovac stellt den Biosphärenpark Wienerwald vor und erklärt den Unterschied zwischen einem Naturschutzgebiet und einem Biosphärenpark. Sie betont, dass letzterer stark vom Menschen geprägt ist und Naturschutz hier gemeinsam mit den Menschen innerhalb oder am Rande von Siedlungsgebieten umgesetzt wird. Zudem weckt sie unsere Vorfreude auf den wunderschönen Ausblick, der uns am Großreitherhof erwarten wird.

Großreiterhof, Familie Schuh, Kaumberg, NÖ

Nach einem starken Regenguss während der Busfahrt haben wir Glück: Als wir aussteigen, ist es trocken – und tatsächlich, der herrliche Blick aufs Grünland und die Araburg lockt sofort einige Teilnehmer:innen zum Fotografieren.
Josef Schuh heißt uns herzlich willkommen und gibt uns einen ersten Überblick: Seine Familie und er betreiben den Hof sehr vielseitig.  Heumilchwirtschaft, Schweinehaltung, eigene Hofschlachtung und eine Kellerei sind nur einige ihrer Standbeine, die über die Jahre „gesund gewachsen sind“, wie Josef es beschreibt.
Der Großreitherhof bewirtschaftet insgesamt 46 Hektar Eigengrund (30 Hektar Wald und 16 Hektar Grünland). Alle drei Wochen werden vier bis sechs Schweine geschlachtet und zweimal im Jahr öffnen sie den saisonalen Mostheurigen. Außerdem werden Topfen, Käse, Wurst und Cider selbst produziert. Neun Familienmitglieder (Ehefrau Helga, drei Kinder, Eltern, Onkel …) arbeiten Hand in Hand am Betrieb mit.
Unsere Führung beginnt im Reiferaum für Fleisch, danach besuchen wir den Kuhstall. Die meisten Kühe sind gerade auf der Weide nur das Jungvieh hat Josef aufgrund des Gewitters in den Stall gebracht. Am Betrieb werden 20 Milchkühe gehalten, insgesamt mit Jungvieh sind es 36 Stück.
Josef entdeckte die Heumilchwirtschaft während einer Reise nach Vorarlberg für sich und setzt diese als einer der wenigen Landwirte in der Wienerwaldregion um. Bei der Heumilchwirtschaft ist die Silage-Fütterung (vergorene Futtermittel) streng verboten. Laut Schuh ist dies artgerechter für die Kühe und vorteilhaft für die Käseproduktion. Seine Kühe werden so besamt, dass sie jedes Jahr im Frühjahr abkalben. Die Kälber bleiben 12 Wochen bei der Mutter (muttergebundene Kälberaufzucht). Die Milchkühe werden nach der Abkalbung zehn Monate gemolken und vor der nächsten Abkalbung zwei Monate trockengestellt (also nicht mehr gemolken).
Nächster Programmpunkt ist die Kellerei, in der unterschiedliche Säfte, Schnäpse, Most und Cider selbst produziert werden. Auch hier setzt Josef auf eine nachhaltige Nutzung der hofeigenen Ressourcen: Den Pasteur heizt er mit Hackschnitzeln (aus dem eigenen Forst) und Strom bezieht er aus der Photovoltaikanlage. Im Herbst sammelt die ganze Familie Obst von den eigenen Streuobstwiesen und von Nachbarbetrieben. So kommen jährlich etwa 100 Tonnen Obst zusammen, aus denen 60.000 bis 65.000 Liter Getränke erzeugt werden.
Die Sonne blinzelt immer wieder durch die Wolken und wir nehmen drinnen und draußen Platz, um die hofeigenen Produkte zu verkosten. Radieschen-Topfenaufstrich, Käse, Wurst, Rohschinken, Geselchtes, Joghurt, Frischkäse-Gupf, selbstgemachtes Brot, Säfte und Cider werden mit großer Begeisterung probiert und gleich für daheim eingekauft. Nach dieser köstlichen Pause fahren wir, nun wieder bei Regenwetter, weiter zu VinziRast am Land.

Großreiterhof
Markt 40, 2572 Kaumberg

 

https://abhof.eu/betrieb/familie-schuh-gro%C3%9Freither-hof

Fotos: ÖKL, Koliha, Mandl

VinziRast am Land, Alland, NÖ

Im ehemaligen Luxushotel empfangen uns Andrea Kornfell (stellvertretende Projektleiterin) und Julian (Mitarbeiter und Bewohner) und Karin (ehrenamtliche Mitarbeiterin). Nach einer kurzen Kaffeepause gibt uns Andrea Einblicke in die Geschichte dieser sozialen Landwirtschaft: Das Gebäude der VinziRast am Land Betriebs GmbH war einmal das ehemalige Fünf-Sterne-Hotel von Heinz Hanner und wurde vor fünf Jahren von Hans Peter Haselsteiner gekauft und an VinziRast gestiftet. Mit weiteren Spendengeldern und der Unterstützung des preisgekrönten Architekten Alexander Hagner (Gaupenraub) wurden die Räumlichkeiten umgestaltet und angepasst. Seit nun eineinhalb Jahren laufen dort die Landwirtschaft und der Hotelbetrieb wobei drei bis vier hauptberufliche Mitarbeiter und rund 15 Freiwillige das Projekt permanent unterstützen.
VinziRast am Land bietet derzeit 12 Männern und einer Frau Wohnmöglichkeit und Arbeit in Landwirtschaft und/oder Hotelbetrieb.
Unter dem Motto „Es muss nicht alles perfekt sein, es muss das Herz stimmen“ hat sich in den letzten Jahren eine Gemeinschaft voll Wertschätzung und Zusammenhalt gebildet.
Drei Seminarräume stehen für Buchungen zur Verfügung. Außerdem gibt es Gemüsekisten als Ernteanteile, ein Hühnerhotel für 150 bis 200 Hühner mit Eierverkauf sowie Jungpflanzenproduktion und -verkauf. Der landwirtschaftliche Betrieb befindet sich gerade in der Umstellung zur Bio-Zertifizierung.
Julian führt die Gruppe herzlich und authentisch durch das Hühnerhotel und das Gewächshaus. Die Bewässerung und Düngung des Gemüses durch das Wasser aus dem Fischteich und die Umsetzung einer gut geplanten Fruchtfolge hat den Boden in den Gewächshäusern bereits ordentlich aufgebessert.
Leider können wir die Bienenstöcke heute nicht besuchen, da die Wiesen zu nass sind und die Zeit drängt doch Karin (ehrenamtliche Helferin bei VinziRast am Land) erzählt uns etwas zum Jahreszyklus der Honigbiene und zum Alltag als Imkerin. Im Anschluss dürfen wir verschiedene Veredelungsprodukte (Chutney, Tomatensauce, eingelegte Zwiebelchen, Säfte etc.) verkosten und diesen vielseitigen Ausflug gemütlich ausklingen lassen, bevor es mit dem Bus zurück in die Stadt geht.

   

VinziRast am Land
Mayerling 1, 2534 Alland

https://www.vinzirast.at/projekte/vinzirast-am-land/

Fotos:  ÖKL, Koliha, Mandl

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