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Wintergemüsesafari & Weingenuss

Stadtlandwirtschaft in Wien

18. November 2021

Am 18. November fand der schöne Jahresabschluss von AfterWork am Bauernhof statt - im Wiener Stadtgebiet diesmal. 16 warm angezogene, an Gemüse und Wein Interessierte trafen sich, um nachzuschauen, welches Wintergemüse zu dieser Jahreszeit zu finden ist und wie der Weinbau 2021 gelaufen ist.

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Im Bus wie üblich einige Zahlen zur Landwirtschaft von Projektleiterin Kornelia Zipper: Nach der letzten offiziellen Zählung gibt es in Österreich rund 156.000 landwirtschaftliche Betriebe. Sieben an einem Tag schließen leider ihre Hoftüren für immer (durchschnittlich). Im Wiener Großstadtgebiet gibt es immerhin 700 Betriebe, viele davon sind Gemüse- und Gärtnerbetriebe (Friedhofsgärtnereien!) und Winzer*innen, aber auch Ackerbaubetriebe und Imker*innen. Viehhaltende Betriebe gibt es in Wien nur eine Handvoll – wenige Freilandschweine, Schafe und Geflügel. Milchviehhaltung ist in Wien nicht mehr etabliert.

Zum Gemüse: Jede Österreicherin und jeder Österreicher isst im Durchschnitt 118 kg Gemüse in einem Jahr (ohne Erdäpfel). (Zum Vergleich: Wir essen im Jahr pro Kopf ca. 21 kg Geflügel-, ca. 53 kg Schweine- und 18 kg Rindfleisch. Erdäpfel essen wir ca. 51 kg im Jahr.)  Der Selbstversorgungsgrad liegt beim Gemüse bei nur ca. 55 Prozent. Allein in Wien wurden im letzten Jahr 72.000 Tonnen Gemüse produziert, vor allem Gurken, Paradeiser, Paprika etc., am meisten in Simmering und in Donaustadt.

Beim Wein sieht es so aus: Eine Person trinkt im Durchschnitt 26 Liter Wein im Jahr, der Selbstversorgungsgrad liegt hier bei immerhin 95 Prozent!

Und dann sind wir schon bei unserer ersten Station:

Gärtnerei Ganger, 1220 Wien

 

Marietta begrüßt unsere Gruppe herzlich und stellt uns den Betrieb vor: Auf 1,4 ha Freiland und in 1,3 ha großen Glashausanlagen wird v.a. Gemüse produziert, und zwar schon in der 5. Generation auf diesem Standort. Dazu gibt es noch ca. 0,2 ha Folientunnel. Der Familienbetrieb Ganger zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Gemüse und Blumen im Glashaus und seit ein paar Jahren auch durch biozertifiziertes Wintergemüse im Freiland aus. Wir beginnen in einem schon leeren Glashaus, dem ältesten am Betrieb, mit offenem Boden mit Resten nach der Ernte und aufgebrachtem Pferdemist, das noch händisch verstellbare (Kurbeln) Klappen hat. Der Boden kann sich hier bis zum Frühling gut regenerieren. Andere – modernere - Glashäuser, in die wir auch hineingehen können, haben

keinen offenen Boden, hier wachsen die Pflanzen in Nährlösungen auf Kokossubstrat. Ein Großteil des Gemüses ist hier schon abgeerntet und wir sehen aber noch Paradeiser, Paprika, Melanzani und Gurken. Dieses Gemüse geht

vor allem an die LGV-Frischgemüse Wien.

Bevor es aber dunkel wird gehen wir auf die Felder – wo gerade der Beinahe-Vollmond aufsteigt! Dort erfahren wir, welche Gemüsearten im Winter kultiviert werden können. Wir sehen Mangold und Chinakohl(reste) sowie violetten Kohlrabi, sowie eine relativ neue Chinakohlart: den Blattchinakohl, der viel mehr grüne Blätter als weißen Struck hat und den wir direkt am Feld kosten. Außerdem Eisbergsalat und Grazer Krauthäuptelsalat, Grün- und Schwarzkohl sowie Palmkohl, der zarter ist als seine „Kollegen“, Endiviensalat und Zuckerhut. Und den trendigen Kohl namens „Flower Sprouts“. Man isst die kleinen Röschen, die den Frost lieben und die viele Vitamine enthalten. Viele von uns sehen auch zum ersten Mal Artischocken am Feld! Diese mehrjährige Pflanze ist ein empfindliches „Mimöschen“ –

im Vorjahr gab es viele und noch dazu riesig, heuer haben sie sich nicht so gut entwickelt.

Marietta erzählt, dass es Jahre braucht, um „neue“ Gemüsesorten einzuführen und auf die Märkte und v.a. in die Supermarktregale zu bringen. Oft ist die Gastronomie hier der Lanzenbrecher. Wenn Konsument*innen etwas

schon im Restaurant gekostet oder auf einer Speisekarte gelesen haben, wird eine neue Sorte langsam bekannt…!

Die Vermarktung der Gärtnerei Ganger läuft über die LGV (sehr beständige Einkommensquelle!), über den digitalen Bauernmarkt Markta u.ä., über die Gastronomie und über den eigenen Hofladen.

Nach der Führung sind unsere Finger schon etwas klamm und wir wärmen uns diese bei einem Punsch und Gemüsebrötchen vor dem seit diesem Tag geöffneten Adventmarkt. Wir sprechen über die vielfachen Herausforderungen die an eine Gärtnerei in der Großstadt gestellt werden und im gut sortierten neuen Hofladen kaufen dann viele von uns auch ein.

https://www.gaertnerei-ganger.at/

 

 

Fotos: ÖKL

Weingut und Heuriger Christ, 1210 Wien

 

Rainer Christ empfängt uns persönlich auf seinem Weingut in Jedlersdorf in Wien und erläutert uns zu Beginn den Weinbau in Wien. Innerhalb der Stadtgrenze gibt es 153 Weinbaubetriebe und viele davon bewirtschaften ihre Flächen nach biologischen Richtlinien – auch die großen Betriebe wie das Weingut Christ. Bald sind 50 % der Weinbauflächen in Wien „bio“ und das ist weltweit einzigartig für eine Großstadt.

Im Weinkeller können wir einen wunderbaren Einblick in die langjährige Familientradition und die naturverbundene Weinbauphilosophie der Familie Christ bekommen. Alle Lagen der 25 ha Weingärten (36 Einzellagen) befinden sich am Bisamberg der durch seine Böden mit der geologischen Vielfalt und durch das Klima wie geschaffen für den Weinbau ist. Rainer Christ erläutert uns die Grundlagen des Weinbaues, die Kennzeichen eines gesunden Bodens und er erzählt über die Herausforderungen die sich durch den Klimawandel stellen. Die Niederschlagsmenge über das Jahr gerechnet ist nicht mehr aussagekräftig. Die Verteilung hat sich verändert, so gibt es atypische Starkregen- sowie Trockenperioden. Nur ein klimafitter gesunder Boden kann eine große Menge an Niederschlag speichern und gesunde Weinstöcke können hier bis 10 m in die Tiefe wurzeln.

In den Weingärten der Familie Christ werden die Trauben (80 % weiß, 20 % rot) alle von Hand gelesen und in kleinen Kisten den kurzen Weg zum Weingut transportiert. Die Verarbeitung erfolgt sehr schonend. Die Trauben werden

nur mit 1 bar gepresst (wie ein Babyhanddruck) und im gesamten Ablauf am Weingut wird nicht gepumpt, nicht geschönt und nicht sterilfiltriert. Seit 2018 ist das Weingut Christ auch bio-zertifiziert. Im Weißweinkeller können

wir die modernen Edelstahlfässer mit der futuristischen Blaulichtgestaltung, die die Fruchtfliegen abwehrt, und im gediegenen Rotweinkeller die wunderschönen Eichenholzfässer bewundern.

Rainer Christ arbeitet zu 100 % mit Holzfässern beim Rotwein und es werden auch speziell für das Weingut eigene 350 l-Eichen-Fässer gebaut, die nach drei Jahren wieder ausgetauscht werden. Wir erfahren alles vom

grundlegenden Unterschied zwischen Weiß- und Rotweinproduktion bis hin zu Spezialwissen in der Weinwirtschaft wie z.B. dem "getoastetem" Holz für die Weinfässer.

Der internationale Trend geht momentan eher in Richtung Weißweine und die Familie Christ verkauft auch 75 %

ihrer Weine in 21 Länder. In Wien ist mittlerweile der „Wiener Gemischte Satz“ der nachgefragteste Wein und seit 2006 hat Rainer Christ auch nur mehr gemischte Sätze ausgepflanzt. Die Verkostung der prämierten Weine, wie z.B. dem berühmten Vollmondwein, der seit 1997 unter Berücksichtigung der Mondphasen bis hin zur Lese bei

Vollmond produziert wird, dem Wiener Gemischten Satz DAC, 1. Lage, bis hin zum Blauen Zweigelt, Bisamberg und der gemütliche Ausklang beim Heurigen runden unsere Landpartie perfekt ab. 

https://www.weingut-christ.at/

Fotos: ÖKL

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